Von der Kürze des Lebens – Radio DRS, 21. 1. 2012
Das Theaterhaus Gessnerallee und das Fabriktheater der Roten Fabrik sind die beiden wichtigsten Theaterhäuser für die freie Szene in Zürich: Hier hatten diese Woche zwei neue Produktionen Premiere. Je eine von Thom Luz und Michel Schröder. Theaterredaktorin Dagmar Walser hat beide gesehen: Wofür stehen diese beiden Regisseure und ihre Gruppen?
Ja, es sind auf jeden Fall zwei der wichtigen Exponenten der Freien Zürcher Szene. Beide mit überregionaler Ausstrahlung. Tom Luz ist gerade mal 30, er ist Frontsänger der Pop-Band «My Heart belongs to Cecilia Winter», er ist ein sehr musikalischer Regisseur, der seine Projekte sehr genau komponiert. Michel Schröder ist mit seiner Gruppe kraut_produktion eine Generation älter, schon länger unterwegs, ich schätze ihn sehr, als einen ästhetisch mutigen Regisseur, der mit viel Inspiration Trash und Analyse verbindet und der seit einem Jahr mit zwei Künstler-Kollegen das Fabriktheater der Roten Fabrik leitet.
Dann lassen Sie uns gerade in der Roten Fabrik bleiben: «Von der Kürze des Lebens – ein Abgang von kraut_produktion», heisst der neue Abend von Michel Schröder. Worum geht’s da?
Ja eigentlich geht es um ganz grundsätzliche Fragen, nämlich die, nach unserer Existenz: Worum geht’s eigentlich im Leben? Was machen wir hier? Und die Gruppe hat zu diesen Fragen Antworten zusammengetragen, die sie in den Unterhaltungsmedien, im Internet und in der Popindustrie gefunden haben, da spielen sie zum Beispiel bekannte Fernseh-Talkshows nach, da ist eine ganz grossartig gespielte Szene mit Klaus Kinski, der endlos redet und jede Frage des Moderators unterläuft.
Wie kommt das auf die Bühne, Dagmar Walser?
Ja im ersten Moment denkt man, man ist auf einer Hinterbühne gelandet, da sind Bretter, Netze, Autopneus auf dem Boden, da steht auch eine alte Badewanne, in der am Schluss dann auch zwei der fünf Schauspieler tatsächlich ein Bad nehmen, und der Regisseur Michel Schröder selbst, singt dazu ein Liebeslied von Neil Young. Diese angesprochenen Talkrunden, dafür sitzen die Schauspieler einfach auf einem Bänkchen, oder einer alten Matratze auf dieser Wirrwarr-Bühne, es wirkt alles ein bisschen wie hingeworfen, aber ist natürlich sehr genau gesetzt, Michel Schröder hat ja so eine Technik des Kollagierens in seinem Theater entwickelt, indem er eben Spielsituation, Musik, Videobilder mixt und wirklich rhythmisch abmischt und das sieht man auch bei dieser Produktion, wie genial er da Übergänge zwischen den unterschiedlichen Medien produziert. Man gerät im Publikum manchmal wirklich fast ein bisschen ins Taumeln. Aber es wird nie zu einem Brei. Und es hat vor allem auch immer wieder sehr berührende, ruhige, zarte Momente, die einem dann wieder die Grundfragen dieses Existenziellen, die Fragen nach dem Tod, der Sexualität, der Liebe dahin zurückführen.