«A Clockwork Orange» Im Fabriktheater
Kritik in der NZZ vom 11. 12. 2004
Bei «A Clockwork Orange» mag man wohl eher an Stanley Kubricks gleichnamigen Film als an den Roman von Anthony Burgess denken, der 1962 erschienen war. Dabei war es dieser Autor, der mit der Darstellung einer verwahrlosten Jugend eine Schockwelle auslöste. Es war nicht nur die Darstellung der Gewaltexzesse von vier Jugendlichen, sondern auch die Kritik an einem Staat, dessen Methoden zur Resozialisierung krimineller Subjekte der Grausamkeit der Verbrechen in nichts nachstanden: Am Ende der Therapie wird Alex, der Anführer der Bande, beim geringsten Gedanken an Gewalt von Übelkeit heimgesucht. Um keine tödlichen Schmerzen zu verspüren, ist er nur noch unterwürfig und allen hilflos ausgeliefert. Von Kubrick jedenfalls hat sich Michel Schröder nicht beirren lassen. Die bedrohliche Gruppendynamik einer von Langeweile und Aggression bestimmten Bande entfaltet sich im Fabriktheater auf einem mit Plachen überzogenen Stahlgerippe von Duri Bischoff, das Roland Schmidt und Martin Roth mit Videobildern (MTV, BBC) überfluten. Die Handlung beschränkt sich auf einige Episoden, die Szenen (mit fliegendem Rollenwechsel) sind brutal, der Witz stets giftgetränkt: Beim Gerangel um den ersten Platz spritzt Blut (zu Beethoven, Schlagermusik udn Richard Claydermann), die Eltern von Alex sind zu wimmernden Handpuppen geschrumpft, der Gefangenenchor schmettert christliche Lieder mit der gleichen Begeisterung ins Publikum, mit der er vormals gemordet und vergewaltigt hat, die Wissenschaft ist ein fieser Kindergarten. Nils Torpus, Herwig Ursin, Sandra Utzinger und vor allem Roeland Wiesnekker und Thomas U. Hostettler als Alex geben ihm schillernde Gestalt, dem latenten Bösen: ein (Horror-) Trip, ein schwarzes Gift. Selber schuld, wer nicht davon schlürft beziehungsweise snifft.