«Ich fühlte mich gestern Abend oft an Frederico Fellini erinnert»

Kritik auf Radio SRF zu 21st Century Skills

Noch spielen sie Theater… Morgen wird bekannt, wie lange noch. Und am Dienstagabend gab es sogar eine Premiere, nämlich in Zürich, in der Roten Fabrik. Die ansässige Theatergruppe kraut_produktion, mit Regisseur Michel Schröder, brachte den Abend «21st Century Skills» heraus, was so viel wie «Fertigkeiten des 21. Jahrhunderts» bedeutet. Welche gemeint sind, das hat Irene Grüter unseren Theaterkritiker Andreas Kläui gefragt.

Ja, das ist ein bisschen die Frage. Eine grosse Hilfe bietet der Abend jedenfalls nicht. Es gibt keine guten Ratschläge und es sind nicht Fertigkeiten, die er empfiehlt, wie man sich besonders gut schlagen könnte, in dieser neuen Zeit. Sondern, im Gegenteil, er zeigt eigentlich mehr eine Ratlosigkeit. Der Abend hat auch einen Untertitel, nämlich, der lautet «Der Versuch, erfolgreich den Überblick zu verlieren» – und das trifft’s eigentlich schon sehr viel mehr.

Dann möchte ich natürlich gerne wissen, wie verliert man erfolgreich den Überblick?

Ja, das ist natürlich mit einem Augenzwinkern zu verstehen, aber man könnte ja wirklich aufgeben, angesichts dessen, was da jeden Tag so auf uns einprasselt von allen Seiten, in Social Media, oder wo auch immer. Und da reagiert man am besten mit einer Portion Ironie und Sarkasmus, das macht der Abend zum Thema, in einer grossen Breite. Das geht von der Selbstoptimierung, über Philosophie, oder über Body Building, bis hin zu nationalistischen Verschwörungstheorien – es ist wirklich so ein Katalog von allem – und was alles innerlich verbindet, ist die Kommerzialisierung und das allgemeine Marketing, das noch das Persönlichste und Intimste betrifft. Also im Grunde unsere durchkapitalisierte, konsumistische Gesellschaft, in allen ihren möglichen Facetten.

Viel Gesellschaftskritik also, viel Ironie auch, in welcher Form wird das vermittelt?

Es kommt durchaus nicht trocken daher, nicht theoretisch, der Abend gibt sich, im Gegenteil, eine eher süffige Form, die Form einer Revue. Man kennt das ja alles, die Leute, die eben jeden Muskel oder jedes neue Kleid sofort auf Instagram posten. Und 5 sehr bewegliche Schauspielerinnen und Schauspieler schlüpfen da von einer Rolle in die nächste, das ist oft sehr lustig und auch sehr musikalisch.

(O-Ton)

So also klingt der Theaterabend «21st Century Skills» in der Roten Fabrik in Zürich. Andreas, du hast gesagt, es geht um Selbstoptimierung und Vermarktung und die Durchkommerzialisierung der Gesellschaft, was bleibt bei dir hängen von dieser Pop-Revue?

Ja, das sind ja keine besonders neue Themen und dennoch frönen wir diesem Konsumismus in unserem Alltag ständig und es ist sicher gut, sich das auch einfach wieder einmal vor Augen zu halten. Und das leistet der Theaterabend in einer sehr gekonnten Überzeichnung, mit Ironie und Musikalität. Allerdings auch etwas breit, manchmal zwischendurch. Ich fühlte mich gestern Abend oft an Frederico Fellini erinnert und an die Filme, in denen er genau diese Kritik an der allgemeinen Vermarktung in einer ähnlich grotesken, revueartigen Ästhetik präsentierte. Und das Unangenehme bei dieser Erinnerung ist ja, dass sich seit damals, seit den 80er Jahren, nicht viel getan hat, im Gegenteil. Der Konsumismus ist noch selbstverständlicher geworden – und darauf weist dieser Abend in aller Schärfe hin.