Kritik auf Radio SRF 2 Kultur zu «The Deconstruction of Death» 4.4.2014
Um den Tod geht es in der neusten Produktion der Theatergruppe kraut_produktion, gestern Abend in der Gessnerallee in Zürich. „The Deconstruction of Death“, „Die Zerlegung des Todes“, nennt der Regisseur Michel Schröder seinen neuen Theaterabend. Dagmar Walser, der Tod, ein grosses Thema, wie geht die Gruppe dieses Thema an?
Ja vielleicht ist es einfacher, zuerst zu sagen, was sie nicht macht. Die Gruppe erzählt keine durchgehende, nacherzählbare Geschichte. Sie macht auch kein Dokumentartheater, in dem sie problematisieren würde, dass der Tod auch heute noch ein gesellschaftliches Tabu ist. Die Arbeit nimmt auch keine moralische Position ein, die sich etwa für Religion, oder gegen ein Leben nach dem Tod festlegen würde, zumindest tut sie dies alles nicht auf den ersten Blick, sondern die Gruppe geht das Thema eigentlich ästhetisch oder atmosphärisch an, in einer Collage, die sich aus Performance, Musik und einer Bilderwelt aus Video und You Tube-Filmchen speist und im Kern vielleicht die Schwierigkeit zeigt, die Unfassbarkeit des Todes erlebbar zu machen.
Und wie sieht das denn aus auf der Bühne?
Da steht ein Haus, im Rohbau, im Abbruch oder im Aufbau, und ein Performer trägt als erstes in einer Art Standup-Comedy-Nummer ein paar Statements vor, Gedanken von einem Moralphilosophen: gibt es so etwas wie eine Seele, oder ist der Mensch vielleicht einfach eine Maschine, ein Klumpen Fleisch, der halt irgendwann kaputt geht, wie ein Toaster oder ein Computer? Dahinter richten zwei in Zeitlupentempo ein romantisches Picknick ein. Und diese erste Szene wird dann mit richtig lauter Musik unterbrochen und macht den Weg frei für ein sehr assoziatives Spiel von Szenen der fünf Performer, drei Männer, zwei Frauen, die eigentlich unterschiedliche Haltungen zum Leben vorführen. Also die Suche nach möglichst viel Intensität etwa, Tanz, Sex, Musik, oder möglichst viel Absicherung, indem Materielles angehäuft wird, ein Häuschen gebaut, Beziehungen eingegangen. Es sind Bebilderungen von Lebensvorstellungen eigentlich, die sehr körperlich umgesetzt sind, in eben einer Art Kollagentechnik, in der sich ein Sog entwickelt, der mich sehr eingenommen hat.
Heisst das, dass es eigentlich eher ums Leben und gar nicht um den Tod geht?
Der Abend macht einem auf alle Fälle bewusst, dass die beiden nicht voneinander zu trennen sind und dass sich in der Haltung zum Leben eben auch ein Verständnis des Todes zeigt. Das ist auch spezifisch für die Ästhetik von Michel Schröder und seiner Gruppe kraut_produktion, die sich ja dafür einen Namen gemacht hat, dass sie grundsätzliche Lebensfragen mit einer Trash-Ästhetik durchleuchten, dass sie ein Thema eben nicht erläutern und auf der Bühne so tun, als wüssten sie Bescheid. Sie umzingeln oder umtanzen ihren Stoff vielmehr und bieten damit dem Publikum einen performativen Assoziationsraum aus Bildern, Szenen, Improvisationen, aus dem dann eigentlich jeder selbst die Geschichte, den Inhalt, oder auch die Moral ziehen muss.
Und ist dieser Totentanz für Sie gelungen, Dagmar Walser?
Ich mochte den Abend sehr. Er entwickelt wie gesagt in seiner ganzen Rohheit, vielleicht teilweise auch noch Unfertigkeit einen faszinierenden Sog. Es ist ein fordernder Abend, der einen teilweise auch überfordert durch diese Flut an Bildern und Assoziationen. Er wird aber nie beliebig und was ich auch sehr mochte ist die Spielfantasie der Performer und ihre Eigenständigkeit, die sehr Individuelles und Persönliches, was der Tod am Ende ja wohl ist, mit einer enormen theatralen Kraft zusammenbringt.