«Ein Liveereignis auf der Bühne: Die Krauts in Aktion.»

Veranstaltungstipp zur Wiederaufnahme im Fabriktheater, Tages Anzeiger, Stefan Busz

 

Wenn aus einem Wohnzimmer ein Swinger-Club wird

Man soll sich einfach treiben lassen, dann wird alles gut. Regisseur Michel Schröder lässt uns in ein Loch fallen. Das gefällt uns sehr.

Der Titel ist gut. «21st Century Skills» heisst das Stück von Kraut-Produktion. Der ganze Cyberspace soll hier als real erlebbares Liveereignis auf die Bühne des Fabriktheaters kommen – das verheisst jedenfalls der Plan. Das Ziel war, herauszufin- den, «welche Skills es braucht, um das 21. Jahrhundert erfolgreich zu überleben», wie es im Programmheft heisst. Solche Fähigkeiten können wir doch alle brauchen. Aber so wirklich lernen wir an diesem Abend nichts.

Und doch: Das Theater ist an und für sich eine lebensrettende Massnahme. Und gut, dass dieses Stück nach mehr als 485-tägiger Corona-Zwangspause wieder aufgenommen wird. In Zürich wurde es vor eineinhalb Jahren nur dreimal gezeigt. Was auch ein schönes Beispiel dafür ist, dass gut gemachte Sachen immer auch ein zweites Leben haben. Und nach einiger Zeit immer noch funktionieren.

Besser als der Titel ist aber der Untertitel, er lautet: «Die Kunst, den Überblick zu verlieren». «Ich muss den Plan nicht erkennen und lasse mich einfach treiben», sagt Regisseur und Kraut-Mastermind Michel Schröder zu diesem Skill. Und diese Fähigkeit ergibt sehr Sinn.

Kraut-Produktion, das sind die Chronisten der Zeit. 2009/10 startete ihr erstes Internetprojekt für die Bühne, es war eine Art Selbstversuch zur Frage, was einem beim Herumsurfen so begegnet. Die Sammlung von Fundstücken aus den Untiefen des Netzes ist mit der Zeit angewachsen. Wer sich auf diesem Terrain bewegt, der fällt schnell mal in ein Loch hinein.

So kommt man überallhin. Auch an Orte, die eher seltsam sind. Dort treiben Verschwörungstheoretiker ihren Unfug. Bieten Swinger-Club-Betreiber eine Führung an. Erklärt eine Frau ganz genau die Funktionen einer medizinischen Maske. Je länger der Abend geht, desto tiefer wird man in diesen Strudel gezogen. Zu sehen und zu hören ist die Kakofonie der Gegenwart.

Das Internet hat aber auch ganz praktische Seiten. Michel Schröder hat nach YouTube-Anleitung die Skibindungen seiner Kinder eingestellt.