Kritik «Nach uns die Zukunft» Radio SRF2 Kultur
Man stelle sich vor, als Alien in einigen hundert Jahren auf dem Planeten Erde zu landen. Zwischen Wüsten und riesigen Mülldeponien ein Computer, der einem alles über die menschliche Zivilisation erzählt. Wie würden wir wohl auf unsere heutige Gesellschaft schauen? Genau um die Frage geht es im neuen Stück der Zürcher Theatergruppe kraut_produktion, rund um Regisseur Michel Schröder. Laura Leupi war an der Premiere in der Roten Fabrik, und mit ihr hat Irene Grüter gesprochen.
Laura, das Stück richtet den Blick von der Zukunft auf unsere Gesellschaft heute, welche Themen stehen denn da im Fokus?
Ja, «Nach uns die Zukunft» fragt nach dem Stand der Dinge in unserem Umgang mit der Klimakrise. Das Stück verspricht «die neuste künstlerische Massnahme gegen den absurd deprimierenden Zustand der Menschheit».
Und kann das Stück dieses Versprechen halten?
Naja, langweilig wird’s auf alle Fälle nicht. «Nach uns die Zukunft» ist Theater für alle Sinne. Es dröhnt und stinkt und der Prosecco spritzt durch die Gegend. Die 5 Spieler*innen zeigen in knapp 100 Minuten mit oft wechselnden Perücken eine Nabelschau des menschlichen Versagens. Da kommt wirklich niemand gut weg, weder die Klimaaktivistin noch der Prosecco.
Eine ziemlich wilde Versagensshow also. Was passiert denn da genau?
Dem Thema Klimakrise nähert sich die Gruppe über verschiedene Versuchsanordnungen. Sie stolpern von einer Technoparty in einen Vortrag über Solartechnik, und von einer Generalversammlung in eine Art Pop-Gottesdienst. Das Publikum sitzt sich dabei auf zwei grünen Tribünen gegenüber. In der Mitte bildet sich dann eine Art Laufsteg der Lösungsversuche auf dem die Spieler*innen genussvoll das Scheitern üben. Man kommt sich dabei durchaus auch nahe, und das Publikum wird mehr oder weniger freiwillig Teil der Inszenierung.
Oh, ein Mitmachstück?
Ja, ein bisschen schon, aber ich finde, das ist nur konsequent. Das Stück macht uns unserer Kompliz*innenschaft bewusst. Wir sind durch unsere reine Anwesenheit Teil dieses Theaterabends und auch Teil der Probleme auf unserem Planeten. Und wir sind in diesem Stück scheinbar ein ziemlich lächerlicher Haufen. Wir haben eigentlich alle Antworten, um die Krise zu bewältigen, doch stattdessen umarmen wir lieber nackt Bäume, oder schreien uns gegenseitig an.
Optimistisch stimmt mich das nicht. Ist da denn alles rettungslos verloren? Gibt’s gar keine Hoffnung mehr für die Spezies Mensch?
Wie wir aus diesem Schlamassel wieder rauskommen, weiss ich nach diesem Abend auch nicht besser. Am Ende zerfasert die Inszenierung ein wenig. Aber wenn die Welt schon untergeht, dann werden wir hier wenigstens gut unterhalten. «Nach uns die Zukunft» ist mehr lustvolle Überforderung, als ein Handbuch zur Rettung der Menschheit. Damit bleibt sich kraut_produktion aber auf jeden Fall treu.
Wenn man diese Gruppe jetzt nicht kennt: was heisst das?
Kopf voran in die grossen Themen, das ist wirklich typisch für kraut_produktion. Ihre Stücke drehen sich um Evolution, oder den Sinn des Lebens, um Tod, oder Sexualität. Ich sehe darin vor allem einen unerschütterlichen Glauben an die Kraft des Theaters. Das Theater kann einen Raum schaffen, um gemeinsam über diese Sachen nachzudenken. Und in diesem Sinne: Die Hoffnung stirbt zuletzt – gehen Sie ins Theater!