Kritik im Tagesanzeiger zu «The Deconstruction of Death»
Es ist ein Irrtum des herkömmlichen Theaters, dass es glaubt, es habe zu jedem Thema etwas Eigenes zu sagen. Damit hat die Zürcher kraut_produktion nichts am Hut. Die Gruppe um Michel Schröder nutzzt nämlich seit mehr als zehn Jahren vorhandenes Material, um damit die Probleme unseres Daseins einzuzirkeln. So auch in «The Deconstruction of Death», der jüngsten Kraut-Produktion, die in der Gessnerallee in Zürich zu sehen ist. Darin wird der Tod angegangen, etwa dann, wenn Thomas U. Hostettler eine Lecture des Philospohen Shelly Kagan wiedergibt, die den Tod aus spiritueller und materialistischer Perspektive beleuchtet. Oder wenn auf der Rückwand das Werbevideo einer Reinigungsfirma gezeigt wird, die auf die Beseitigung von Leichen spezialisiert ist: «Wir beginnen dort, wo andere aufhören», heisst es da. Für den Tod gibt es also Profis mit Humor und Esprit.
Mit diesen Profis will die kraut_produktion nicht rivalisieren. Ihr Ausgangspunkt ist der Schlussgedanke Kagans, wonach wir «unglaublich viel Glück haben, überhaupt je am Leben gewesen zu sein». In ihrer Todessoiree wird also die Fröhlichkeit und Frivolität des Hierseins zelebriert. Etwa wenn Hostettler auf Sensen auf die Bühne stakst oder wenn er Nils Torpus von hinten mit Mayonnaise penetriert. Die Akteure von Kraut sind immer sehr zu viel – und das zu unserer Freude und Entlastung. Und so wandelt sich das Theater hier zu einem Rastplatz der Reflexion. Vor dieser Produktion können wir zum Beispiel darüber nachdenken, wie uns das Vorhandene – in Form von Gedanken und Objekten – zu dem macht, was wir sind. Auch im Nachdenken über den Tod.