Jöö, er isch en Hetero
Woher die kleinen Kinder kommen – Kritik NZZ
«Die Männlichkeit ist in der Krise. So wird es in den Medien herbeigeschrieben. Die Zürcher Theatergruppe Kraut Produktion glaubt, dass dies zumindest teilweise stimmt. In ihrem aktuellen Männerprojekt – einem Selbstversuch unter dem Titel «Woher die kleinen Kinder kommen» – fragt die Formation danach, wie viel Testosteron übrig ist. Das tut sie mit Witz und Tempo. Diskurse über Sex und Gender werden durcheinandergewirbelt, das Geschwurbel von Wissenschaftern persifliert, sogenannt reife Diskussionen zwischen Frau und Mann ironisiert.
Der Status des starken Geschlechts ist prekär, seit die Frau darüber bestimmt: Die schwangere Sandra (Sandra Utzinger) wünscht sich einen Alphasoftie; einen «richtigen» Mann, der seine Karriere eisern verfolgt, aber auch einfühlsam und unbedingt treu ist. Natürlich kümmert er sich um die Kinder. Dieses Ideal meint sie in der Person von Herwig (Herwig Ursin) gefunden zu haben. Als erbärmliche Gestalten konterkarieren Ilja (Ilja Komarov), Nils (Nils Torpus), Michael (Michael Wolf) die Wunschvorstellung. Sie treten zunächst als Kandidaten der Mister-Schweiz-Wahl auf, die von Sandra in Tele-Züri-Manier moderiert wird. Der Ex-Mister Schweiz Renzo Blumenthal säuselt aus dem Off, dass ein schöner Mann schon ein paar Sätze sagen können sollte. Dann geht die «Sendung» über in eine Diskussion zu Wikipedia-Einträgen zum Thema Männlichkeit. Der Regisseur Michel Schröder zeigt die Männer als willenlose Geschöpfe, die ihrer Partnerin ergeben folgen auf der Tour durch Einrichtungsgeschäfte oder bei der Suche nach Duftkerzen. Dass sie gar nicht hier sein möchten, können sie ihrer Begleiterin nicht sagen, denn dann müssten sie ja entscheiden, wo sie sonst hinwollen.
Irgendwann entschliessen sich die Herren der Schöpfung doch und finden sich selbst wieder – am Lagerfeuer bei Country-Musik. Doch bis der neue Mann geboren werden kann, dauert und dauert es. An dieser Stelle wäre weniger mehr gewesen. Endlich schlüpft das Mann-Baby aus einer Kunststoffhülle, während daneben eine Lesbe, verkörpert von Nils Torpus, ihr Comingout hat. Sandra ruft: «Jöö, er isch hetero!»»