Kritik im Tagesanzeiger zu «Krone der Schöpfung»
Frühlingsputz im Trash-Theater
Michel Schröder zeigt in der Roten Fabrik «Krone der Schöpfung»
Um Michel Schröder und sein Theater ist es in letzter Zeit ein bisschen still geworden. Schon länger verhallt sind Arbeiten wie «Der Schweizerpsalm» (2016) oder «Hi, how are you?». Nun meldet sich der Regisseur mit Jahrgang 1971 – auf den viele, etwa Christoph Marthaler, ein Loblied singen – mit Karacho zurück. Sein neues Stück «Krone der Schöpfung» ist ein Theater mit Punkkonzert: laut, hart und, nicht zuletzt, schwer in Ordnung. Wie immer in solchen Kraut-Produktionen. Auch wenn mit Trash nur so um sich geschmissen wird.
«Hallo, Menschen», sagt da der Sänger der Berner Punk-Rock-Band Biggerclub, und er sagt auch «Hallo, Leben». Denn da wir uns ja ganz am Anfang unserer Zeit, so quasi beim Urknall. Auf der Leinwand fräsen uns die Sterne entgegen. Es braucht schon drei lange Songs, bis sich auf der Theaterbühne etwas bewegt, schliesslich geht es ja um die Evolution. Wir sehen, wie Menschen in der Steinzeit ankommen, und die Steinzeit sieht wie auf einer Schulschaukarte aus: voller Steine. Es ist kalt, die Menschen frieren und haben Hunger. Sie machen dann, tolle Idee, zuerst ein Feuer im Fernseher. Und schlagen eine Puppe in der ersten Reihe den Schädel ein, um sie dann auszunehmen.
Überhaupt sollten Zuschauer, die modernes Theater fürchten, nicht ganz vorne sitzen. Denn die Evolution kennt keine Grenzen. Die Menschen in der ersten Reihe werden manchmal mit Wasser übergossen, eingenebelt oder sehr heftig vom Sänger, der überall herumlichtert, umarmt. Und doch ist es die beste Position für dieses Theater. Man muss es über sich ergehen lassen. Wie die Musik. Erst dann wirkt dieser Schrödersche Weltenentwurf.
Der Zauber kann auch von einem Staubsauger kommen. Wenn die Musiker an der Bar Pause machen, wird auf der Bühne gestaubsaugt. Dann ist die Bühne bezugsbereit für die Neuzeit. Zwei Paare treten auf, das eine bald nackt und Cervelat essend, das andere eher ballonseidig. Die vier Menschen machen sich den Raum streitig, bis sie, erstens: von Landsknechten abgestochen werden. Und zweitens: von einem Geschichtenerzähler ins Sofa gedrückt werden. Wir hören jetzt sie Schöpfungsgeschichte, wie die Götter die Erde, den Mond, die Sonne und auch die Menschen machten, und wie jedes Ende ein Anfang ist: Was in Stücke zerhauen wurde, wird neu zusammengesetzt.
So machen es jetzt auch die Figuren auf dem Sofa, sie lösen sich von der Last, die sie bedrückt, und setzen der chaotischen Welt eine freundliche Maske auf. Es ist so etwas wie Frühlingsputz im Trash-Theater. Und am Schluss tanzt der ganze Kosmos.